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Schuld

Das Thema ist riesig! Ein bisschen Bammel habe ich schon vor seiner Größe. Andererseits – ich habe fast täglich mit ihm zu tun. Es gibt kaum ein Entrinnen. Man muss sich der Schuld stellen! Oft tritt sie gepaart mit Scham auf. (Das Thema ist verwandt und wohl fast genau so groß!) Ich kann es nur angehen, wenn ich es portioniere.

Man könnte ja zunächst sagen, Schuld ist ein Thema für Juristen und Philosophen, speziell jenen, die sich mit Ethik befassen (plus Theologen, wo wir zusätzlich noch Sünde – die religionsbedingte Spezialform der Schuld – finden). Denn Schuld ist ja erst einmal eine juristische und moralische Kategorie. Ich mache mich schuldig, wenn ich gegen geltende Gesetze und Moralauffassungen verstoße. Diese Schuld kann sowohl durch Handeln als auch Nicht-Handeln (Unterlassen) entstehen. In ersterem verletzte ich Verbote; in anderem Fall Gebote oder Pflichten.
Selbst hier wird es schon kompliziert genug: wer legt denn fest, welche Moral gilt? Um wessen Moral handelt es sich? Wer entscheidet, wann es sich um einen Verstoß gegen Gesetze handelt? Und noch verwirrender: es kann sehr wohl moralische Normen geben, die zu Handeln gegen geltende Gesetze herausfordern, wenn nämlich die Gesetze selbst gegen moralische Normen verstoßen („Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“).

Wenn wir nun annehmen, dass die Schuldfrage geklärt ist, also eine tatsächliche Schuld vorliegt, erwächst aus der Einsicht in diese Schuld ein Schuldgefühl. Ein Schuldgefühl ist in dieser Logik ein Ausdruck des individuellen Wissens um einen persönlichen Verstoß gegen Sitten oder Gesetze. Es ist ein angemessenes Schuldgefühl. Es fordert uns zu einem Umgang mit unserer Schuld heraus. Ein großer Themenkomplex für Gesellschaft und Psychotherapie.

Schuld und Gefühl können nun allerdings in doppelter Weise auseinander treten.

Es gibt Schuld ohne Schuldgefühl. Auf der anderen Seite finden wir Schuldgefühl ohne Schuld.
Gerade in der Psychotherapie beschäftigen uns Menschen, die im juristischen und moralischen Sinne unschuldig sind. Sie entwickeln trotz juristischer oder moralischer Unschuld Schuldgefühle. Diese erscheinen uns hier als unangemessen. An dieser Stelle wird das Thema erneut verwirrend. Schuldgefühle sind offenbar keineswegs zwingend ein Hinweis auf Schuld. Manchmal sind es sogar die Opfer von schuldhaftem Handeln, die sich schuldig fühlen. Ja mehr noch: mitunter treffen wir auf das Phänomen eines diffusen oder gar unbewussten Schuldgefühls; jemand ist von Schuldgefühlen beschwert oder davon getrieben, ohne sich dessen bewusst zu sein.
So sehr also der Schuldbegriff anfänglich als juristisch-ethische Kategorie erscheint, so sehr gibt er doch im nächsten Blick eine enorme psychologische Dimension preis. Ich komme im Moment auf mindestens vier psychologische bedeutsame Problemkreise zum Thema Schuld

  • die Entwicklung eines angemessenen Schuldgefühls
  • die Rückbildung eines unangemessenen Schuldgefühls
  • die Bewusstmachung eines unbewussten Schuldgefühls
  • die Bewältigung von Schuld – Ent-Schuldigung

Schuldgefühl und Unvollkommenheit